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Osterinseln oder Analogien mit der Steinzeit

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"Parasitäre Intelligenz"

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Osterinseln

Oder Analogien mit der Steinzeit

 Der Reiz der Steinzeit liegt in der scheinbaren Antwort auf die Frage: Wer sind wir als Menschen? Die Osterinseln interessieren jeden, der auch nur ein bisschen historisches Interesse hat, schon wegen der kolossalen Statuen einer untergegangenen Steinzeitkultur.

 Nun präsentiert das Fernsehen in einer populärwissenschaftlichen Sendung (zur wissenschaftlichen Darstellung ist das Medium nicht fähig) die neuesten Forschungsergebnisse, nicht ohne warnend auf die heutigen Probleme der Ökologie anzuspielen. 

 

Köpfe auf der Osterinsel

 Danach wanderten etwa vor 800 Jahren Polynesier auf die bis dahin unbewohnte Osterinsel ein. Sie lebten von Vögeln und vom Fischfang. Damit der Zusammenhalt der Gruppe gesichert wird, verehrten sie ihre Ahnen, indem sie ihnen Steinstatuen schufen. Im Laufe der Zeit wurden die Statuen, die wahrscheinlich auch die Lebenden schützen (sie standen am Meer mit den Rücken zur See) und soziales Prestige ausdrückten sollten, immer größer. Es mussten für ihren Transport aus den Bergen immer mehr Holzstämme verwendet werden, auf denen sie die tonnenschweren Kolosse kilometerweit rollten. Im Laufe der Jahrhunderte holzten sie dafür die ganze Insel ab, die ursprünglich mit Wald bedeckt war, heute aber immer noch kahl ist. Für das 16. Jahrhundert, lange vor dem Eintreffen der ersten Europäer, stellten die Archäologen eine Veränderung der Nahrung fest: Man fand seit dieser Zeit keine Vogelknochen oder Fischgräten in den Nahrungsüberresten mehr. Die Vögel verschwanden, weil es keine Bäume mehr auf der Insel gab, und weil es kein Holz mehr gab, konnten sie nicht mehr mit Booten hinaus aufs Meer fahren, um zu fischen. Aus Wut gegen die Ahnen, denen die Schuld an der Misere gegeben wurde, warfen sie die meisten Statuen um. Ihre Kultur wurde primitiver, die Bevölkerung ging drastisch zurück. Ohne Boote konnten sie auch nicht mehr übers Meer entfliehen.

 Diese ökologische Katastrophe wurde abschließend von den Fernsehleuten als Warnung an die Gegenwart interpretiert: Wie die Insulaner von den Osterinseln zerstört die Menschheit heute ihre Insel im Weltall und kann daran zu Grunde gehen. Der Mensch hat sich nicht geändert, er ist immer noch das intelligente Tier, das sich selbst zerstört. Die Fernsehleute folgten der bürgerlichen Ideologie und erklärten die Katastrophe auf der Osterinsel aus der Natur des Menschen: er verrennt sich und zerstört seine Lebensgrundlagen.

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 Analogien lassen sich beliebig finden, jeder kann das hineininterpretieren, was ihm in seinen Kram passt. So wie oben von der Ideologie einer unveränderlichen Natur des Menschen kann man das Geschehen auch mit dem Gegenteil analogisieren. Die Menschen haben intelligent ihre Probleme gelöst, sind Vegetarier geworden, haben ihre Bevölkerung durch weniger Geburten reduziert, verschleudern nicht mehr ihre Kraft an einen bombastischen Kult und leben danach im Einklang mit der Natur. Oder anders: Sie zerstörten ihren Ahnenkult, weil sie Kleingläubige wurden, und verloren damit ihr religiöses Rückgrat mit der Folge, dass die Ahnen (die jahrhundertelang angehäufte Erfahrung) sie bestraften. Vielleicht geht auch diese Analogie: Die Menschen von der Osterinsel waren religiös. Das hinderte sie auf neue Herausforderungen rational zu reagieren, denn eine Änderung der religiösen Vorschriften wäre ein Sakrileg, Ahnenlästerung, und deshalb unmöglich, wenn man nicht den Zusammenhalt der Gruppe gefährden oder gar einen Bürgerkrieg mit einer Vernichtung aller Bewohner riskieren wollte. Sie entwickelten sich also zurück, weil sie nicht von ihrer Religion lassen konnten.

 Will man die Vorgänge auf der Osterinsel verstehen unter der Voraussetzung, dass die Fakten richtig eruiert wurden, dann muss man zunächst einmal die Differenz zur Gegenwart verdeutlichen. Nicht nur dass wir heute ein rationales Bewusstsein haben, welches diesen Zusammenhang zwischen Raubbau und Naturressourcen erkennen kann, sondern es gibt auch heute technische Möglichkeiten, ökologische Katastrophen zu verhindern, etwa kahle Inseln wieder mit angepassten Baumkulturen aufzuforsten. Wir können auch unsere Gesellschaftsverhältnisse durchschauen, die mit ökologischen Katastrophen schwanger gehen. Dies brauchte heute kein fatalistischer Vorgang mehr zu sein.

 Die deutschen Historiker, von denen die Fernsehleute wohl ihre Weisheit geborgt haben, konstruieren häufig ihre Geschichte „wertfrei“, so dass sich dann jedes Vorurteil in sie hineininterpretieren lässt. Die wahre Konstruktion muss aber von einer durchdachten Gesellschaftstheorie und vernünftigen Philosophie ausgehen. Legt man den avancierten Stand des heutigen gesellschaftlichen Bewusstseins zu Grunde, dann ergibt sich folgende Analogie, die nicht nur Erscheinungen analogisiert, sondern vom Wesentlichen ausgeht:

 Die wirkliche Analogie besteht in der Mythologie. Das mythische Denken der Steinzeitmenschen verselbstständigt den Ahnenkult, der dann die Gesellschaft vernichtet. Seit mehreren Jahrhunderten folgt die Menschheit analog zum Ahnenkult einem verselbstständigten Zweck, der Produktion um der Produktion willen, die permanente Anhäufung von Reichtum um doch nur damit neuen Reichtum anzuhäufen. Alle Menschen müssen sich diesem Wachstum von Werten um der Werte willen anpassen, um in diesem System überleben zu können. Was der Ahnenkult auf der Osterinsel war, ist heute der Kapitalfetisch. Fast wie ein unentrinnbares Schicksal liegt dieser Fetisch über der Gesellschaft. Selbst die ihn durchschauen, was heute allen möglich wäre, können sich ihm nicht individuell entziehen. Er ist wie der Ahnenkult selbst geschaffen und beherrscht das Verhalten aller, keiner kann die Arbeit an der Anhäufung der Steine verweigern. Und doch gibt es einen wesentlichen Unterschied – abgesehen von der Gigantomanie des heutigen Götzen -, der Waren- und Kapitalfetisch ist heute erkennbar, bevor die Insel kahl oder die Erde eine strahlende Chemiekloake geworden ist. Kollektiv lässt sich dieser Fetisch beseitigen. Los mach dich kundig, bevor du kein Fleisch mehr essen kannst ...

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Stand: 31. Mai 2005